Stabkinematiken

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REICHENBACHER PEGASUS: Ein Meilenstein in der Entwicklung

 

PEGASUS

Seriell oder parallel, Begriffe, die allgemein bekannt sind (z.B. am PC die serielle oder parallele Schnittstelle). Vom Verständnis her, seriell ist nacheinander und parallel eben gleichzeitig nebeneinander. Im Fräsmaschinenbau wird traditionell seriell gebaut. Eine Baugruppe sitzt auf der nächsten und bildet nacheinander die kartesischen Achsen, die sogenannte serielle Kinematik. Dieser Bauweise sind in Geschwindigkeit und Dynamik enge Grenzen gesetzt. Ein Überschreiten dieser Grenzen ist mit einem hohen technischen Aufwand und Kosten verbunden.

Neue Möglichkeiten bietet da die parallele Kinematik. Die Achsbaugruppen werden so angeordnet, dass alle mit der werkzeugtragenden Plattform und dem Gestell verbunden sind. Alle Achsbaugruppen stützen und bewegen gleichzeitig nebeneinander oder eben parallel diese Plattform. Dadurch verteilen sich alle Lasten und Kräfte der Plattform immer auf alle Achsbaugruppen und es wirken auf diese nur Zug- und Druckkräfte. Ein Vorteil, der konstruktiv eine einfache und leichte Stabausführung zulässt. Alle Stäbe sind konstruktiv und kinematisch identisch und reduzieren durch diese Gleichheit die Fertigungskosten. Die geringe Masse und gleichzeitig höhere Steifigkeit dieser Stabkinematiken ist der Schlüssel für höhere Geschwindigkeit und Dynamik. Bereits im Jahre 1949 wurde der erste Hexapod (Parallele Kinematik mit 6 Stäben) gebaut und die Vorteile der Parallelkinematik im Bereich der Werkzeugmaschinen eingesetzt.

Diese Entwicklung konnte sich damals jedoch noch nicht durchsetzen, weil es keine geeigneten Steuerungen gab. Es gab immer wieder Lösungsansätze und Weiterentwicklungen, aber der wirkliche Durchbruch gelang erst im Jahre 1988. Weltweit wird seither an dieser Technologie geforscht und entwickelt. Es entstanden neue Konzepte und Maschinen, die sich auch in der Praxis schon bewährt haben. Anfang 1998 gab es bei Reichenbacher erste Recherchen, die Parallelkinematik in der Holzbearbeitung einzusetzen. Die verfügbaren parallelen Strukturen waren im Prinzip geeignet, hatten aber alle den gleichen Nachteil, dass der nutzbare Arbeitsraum sehr klein und der Bauraum im Verhältnis dazu sehr groß war.

Aber gerade der große Arbeitsraum ist ein entscheidendes Merkmal der Reichenbacher Fräsmaschine. Es wurden neue Ansätze gesucht. Im Rechenmodell wurden verschiedene Stabanordnungen simuliert. Es entwickelte sich die Idee, das Grundmodell vorhandener Holzbearbeitungsmaschinen zu verwenden und die Parallelkinematik auf einem gemeinsamen, beliebig langen Portalträger anzuordnen. Dabei fahren die erforderlichen Schlitten auf der gleichen Führung und benutzen den gleichen Antriebsstrang. Ein Lösungsansatz mit einem enormen Kostenvorteilen und günstigen Verhältnis zwischen Arbeitsraum und Bauraum.

Ein weiterer Vorteil dieser Anordnung liegt im offenen Zugang zu dem Maschinentisch. Hier bieten sich ganz neue Tischkonzepte für die Zukunft. Ein verkleinertes Funktionsmodell überzeugte die Geschäftsleitung von dieser Idee und im Oktober 2000 wurde das Projekt "PEGASUS" gestartet. Neben der futuristisch wirkenden Mechanik bittet "PEGASUS" eine ganze Reihe modernster Technik: Die drei Vorschubschlitten werden mit Magnetkraft und berührungslos von Siemens- Linearmotoren verfahren. Dabei werden Geschwindigkeiten von 120 m/min bei einer Beschleunigung von bis zu 10 m/s² erreicht.

PEGASUS


Eine Dynamik, die bei bisherigen Maschinen nicht erreicht werden konnte. Auslegung und Berechnung der Antriebe erfolgte in Zusammenarbeit mit der Mechatronik-Gruppe von Siemens und dem Einsatz modernster FEM- Simulation (FEM = Finite Elemente - Modell). Das Maschinenbett hat ein Gewicht von 26 Tonnen und ist aus Hydropol, ein moderner Verbundwerkstoff mit sehr guter Dämpfung und hoher Wärmestabilität. Die 6 Streben sind aus CFK (kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff) gefertigt. Die Wärmedehnung ist bei CFK etwa 60 mal geringer als bei Stahl. Bei gleicher Steifigkeit wie Stahl hat CFK nur 1/6 der Masse. Diese Eigenschaften sind besonders wichtig für die mechanische und dynamische Qualität der parallelen Struktur. Die Kardangelenke sind absolut spielfrei und vorgespannt. Eine Spezialentwicklung von "INA Wälzlager" für die Parallelkinematik . Eine Frässpindel mit 12 kW bei einer Drehzahl von 40.000 Umdrehungen pro Minute sorgen für die notwendige Zerspanungsleistung. Die Frässpindel hat Keramiklager und ist wartungsfrei.

Für den Bediener ist diese Maschine genauso einfach zu bedienen wie jede andere Reichenbacher Maschine. Dafür sorgt eine
spezielle kinematische Transformation in der Siemens Steuerung. "PEGASUS" wurde als 3-Achs-Fräsmaschine konzipiert. Der momentane Arbeitsbereich ist in der Länge 5000 mm, Breite 1400 mm, Höhe 200 mm. Diese Bereiche können mit geringem Aufwand vergrößert werden und in der Länge sind hier kaum Grenzen gesetzt. Die Weiterentwicklung zur 5- Achs-Maschine ist bereits in Planung.

Das ganze Anwendungsfeld dieser neuen Technik ist noch gar nicht abschätzbar. Wir stehen noch am Anfang einer Entwicklung mit hervorragenden Eigenschaften und Zukunftsperspektiven, von denen wir einige Vorteile heute erst kennen. Solche Entwicklungen zu beschreiten, erfordert von einem mittelständischen Betrieb eine hohe finanzielle Belastung und Risikobereitschaft. Eine Eigenschaft, für die der Name Reichenbacher seit jeher steht. Nur wer wagt, kann Erfolge feiern, technisch den Vorsprung nutzen und im harten Wettbewerb bestehen. Wer "PEGASUS" sieht und versteht, wird überzeugt sein, dass Reichenbacher einen wichtigen Meilenstein beim Siegeszug der Parallelkinematik gesetzt hat.

 

Text, Fotos: Reichenbacher